Ottilie Schoenewald (1883-1961)

Eines der prägendsten Gesichter Bochums im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war das von Ottilie Schoenewald. Sie wurde 1883 als Ottilie Mendel in Bochum geboren und engagierte sich zeitlebens in zahlreichen Organisationen, Parteien sowie Verbänden und kann als eine Leitfigur der deutschen Frauenbewegung angesehen werden.

1905 heiratete sie den angesehenen Bochumer Rechtsanwalt Dr. Siegmund Schoenewald und widmete sich noch während des Kaiserreichs zahlreicher sozialer Aktivitäten: Sie war Mitglied des lokalen jüdischen Frauenbundes sowie der Ortsgruppe des Bundes Deutscher Frauenvereine – dieser war die Dachorganisation der bürgerlichen Frauenbewegung – und ebenso war sie für die Bochumer Frauenrechtsschutzstelle tätig. Während des Ersten Weltkrieges  leitete Schoenewald als Vorsitzende den Nationalen Frauendienst. In dieser Organisation engagierten sich ebenso zahlreiche bedeutende Frauen wie Alice Salomon oder Gertrud Bäumer.

Ottilie Schoenewald. Quelle: Bochum.de, URL: https://www.bochum.de/Historische-Frauen/Ottilie-Schoenewald
Familie Schoenewald. Ottilie steht oben in der Mitte, ihr Mann Siegmund ist unten links. Quelle: Heinrich Schwing: Grüße mir die Schoenewalds! Ein Porträt der jüdischen Familie Schoenewald.

Die Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen in der Weimarer Republik ermöglichte Schoenewald nun auch ein parteipolitisches Engagement. Nachdem zunächst verschiedene Parteien um die populäre Frauenrechtlerin geworben hatten, zog sie 1919 schließlich für die Deutsche Demokratische Partei ins Bochumer Stadtparlament ein, wo sie 14 Ausschüssen angehörte und laut einem Bericht des „Volksblattes“ als erste Frau das Wort ergriff. 1926 tauschte sie schließlich ihre lokalpolitischen Aktivitäten gegen umfangreiche jüdische Verbandsarbeit und überregionales Parteiengagement aus, indem sie zum einen in den Reichsparteiausschuss in Berlin gewählt wurde und zum anderen – beispielsweise – ab 1929 zunächst im Hauptausschuss des jüdischen Frauenbundes saß und zwischen 1934 bis 1938 auch dessen Leitung übernahm.  

Das Jahr 1938 mit der Reichspogromnacht stellte für die Familie Schoenewald wie für alle weiteren jüdischen Familien eine Zäsur dar: Zunächst unterstützte sie im Oktober 1938 noch die staatenlosen Jüdinnen und Juden bei der Ausweisung durch das nationalsozialistische Regime – unter anderem war auch die Familie von Susi Schmerler von der Ausweisung betroffen. Für die am Bochumer Bahnhof versammelten „Ostjuden“, die nach Polen deportiert werden sollten (und wurden), organisierte Schoenewald Hilfsgüter und unterstützte die Familien soweit sie konnte. Ihr Bericht „die Austreibung der Ostjuden“ über die Ereignisse in Bochum ist eine der eindringlichsten und ausführlichsten Texte über diese Vertreibungen und trägt somit zur Erinnerung an den Holocaust sowie zur Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen bei.

Während der Pogromnacht in der Nacht vom 9. auf den 10. November wurde nicht nur das Haus der Familie verwüstet, sondern Siegmund Schoenewald auch kurzzeitig verhaftet und in das KZ Sachsenhausen deportiert. Über die Niederlande konnte die Familie schließlich nach England auswandern, wo Siegmund Schoenewald 1943 verstarb. Ottilie Schoenewald zog nach Kriegsende in die USA zu ihrer Tochter und engagierte sich auch dort politisch weiter, ehe sie 1961 in Chicago verstarb.

In Bochum wurde 1998 zunächst eine Straße und 2005 noch eine Schule nach ihr benannt.

Ottilie Schoenewald (rechts) mit Leo Baeck. Foto: https://www.frauenruhrgeschichte.de/frg_biografie/ottilie-schoenewald/.

Weiterführend siehe:

Andrea Behnke: Porträt von Ottilie Schoenewald. Einsatz für Frauenrecht, in: Bochum.de, URL: https://www.bochum.de/Historische-Frauen/Ottilie-Schoenewald, zuletzt aufgerufen am 30.05.2021.

Hubert Schneider: Es begann 1933. Die Verfolgung der Bochumer Juden. Das Beispiel des Rechtsanwalts Dr. Siegmund Schoenewald und seiner Ehefrau Ottilie, geb. Mendel, in Bochumer Zeitpunkte 34 (2015), S. 3-18.

Hubert Schneider: November 1938. Jüdische Männer werden in Konzentrationslager und Polizeigefängnisse verschlepp. Das Beispiel Bochum, in: Bochumer Zeitpunkte 36 (2016), S. 26-41.

Anja Wieber: Ottilie Schoenewald/1883-1961. Kommunalpolitikerin, Leitfigur der deutschen Frauenbewegung, Patronin für ein Institut des Zweiten Bildungsweges, in: frauen/ruhr/geschichte, 01.10.2010, URL: https://www.frauenruhrgeschichte.de/frg_biografie/ottilie-schoenewald/, zuletzt aufgerufen am 30.05.2021.

Empfohlene Quellen:

Leo Baeck Institute Archives (Hrsg.): Lebenserinnerungen von Ottilie Schoenewald. Für das Leo Baeck Institut, New York, URL: https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL9129826, zuletzt aufgerufen am 30.05.2021.

Ottilie Schoenewald: Bericht über die Ausweisung der polnischen Juden aus Bochum, in: Stadtarchiv Bochum (Hrsg.): Vom Boykott bis zur Vernichtung. Leben, Verfolgung, Vertreibung der Juden in Bochum und Wattenscheid 1933-1945, Essen 2002, S. 200f.

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