Kriegerdenkmal im Stadtpark

Der Bochumer Stadtpark ist heute bekannt für seine schönen Grünanlagen und gilt den Bochumer Bürger*innen als innenstadtnaher Erholungsort. Abseits der Landmarke Bismarckturm hat der Stadtpark weitere Erinnerungsorte zu bieten, die ein genaueres Hinsehen lohnenswert erscheinen lassen. Eines davon passieren Besucher:innen, wenn sie den Stadtpark gegenüber des Kunstmuseums, an der Bergstraße, betreten: das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des 4. Magdeburgischen Infanterieregiments Nr. 67 im Ersten Weltkrieg. Da die Ersatzjahrgänge des Regiments vornehmlich aus dem rheinisch-westfälischen Industrierevier stammten, wurde Bochum als Standort für das Denkmal ausgewählt.

Das Denkmal aus Richtung der Bergstraße. Foto: Jano Meyer

Heute besteht es aus einem acht Meter breiten und dreieinhalb Meter hohen Sandsteinblock, an dem verschiedene Inschriften eingelassen sind. Doch das ursprüngliche Denkmal sah anders aus: bei seiner Einweihung im Jahr 1935 standen vor ihm zwei bronzene Soldaten mit einer Höhe von 2,70 Metern. Der eine Soldat trug die Uniform der kaiserlichen Armee, der andere hingegen eine Wehrmachtsuniform und einen Stahlhelm mit Hakenkreuz. Beide Soldaten hielten vor sich gemeinsam eine Fahne, die gewissermaßen an den Wehrmachtssoldaten weitergereicht wurde.

Seitliche Tafel des Denkmals. Foto: Meyer

Es handelt(e) sich also um ein Denkmal, das an Gefallene des Ersten Weltkriegs erinnert, zugleich aber im Geist des Nationalsozialismus geplant und umgesetzt wurde. Entsprechend wurde es 1935 mit einer feierlichen Kranzniederlegung und Reden eingeweiht. Es symbolisierte somit eine Anknüpfung an militaristische Traditionen und die kolportierte Notwendigkeit eines weiteren Waffenganges. Hiervon zeugt auch eine Inschrift, die auf der Rückseite des Denkmals angebracht ist: „Trotz Not und Tod vorwärts und aufwärts“ lässt sich dort noch heute lesen.

Ansicht des Kriegerdenkmals vor dem Denkmalsturz. Foto: Stadt Bochum: Bildarchiv

Aber was geschah mit den Soldatenfiguren? Lange Zeit zunächst einmal gar nichts. Doch in der Nacht vom 2. auf den 3. Februar 1983 brachte eine Gruppe die Soldaten zu Fall, indem sie sie an den Beinen absägten. Hinter den nun „gefallenen“ Soldaten fand sich der auf den Sandstein gesprühte Schriftzug „50 Jahre sind genug“. Bis heute ist öffentlich nicht bekannt, wer genau hinter dem Denkmalsturz steckte – lediglich Einzelheiten des Ablaufs und der Motivation der Beteiligten sind bekannt, die diese anonym in einem Dokumentarfilm von 1994 und in einem anonymen Schreiben 2016 preisgaben. Hieraus wird deutlich, dass sie das Denkmal als ein Mahnmal von Gewalt und Faschismus auffassten und der mangelnden kritischen Thematisierung des Denkmals eine öffentliche Intervention entgegensetzen wollten.

Tafel an der Rückseite des Sandsteinblocks. Foto: Meyer

Der Sturz löste ein breites Medienecho in der Stadt und über sie hinaus aus und es begann eine Diskussion um die Zukunft der gestürzten Soldaten und des Denkmals, die bis heute immer wieder aufflammt. Wiederholt spielten unterschiedliche Akteure mit dem Gedanken, das Denkmal wiederaufzurichten. Der damalige Leiter des Stadtarchivs konnte die Statuen als historische Zeugnisse in den Besitz des Stadtarchivs überführen, wo sie 2014 erstmals in einer Ausstellung gezeigt wurden. Auf Beschluss des Rates der Stadt wurde 1984 – wiederum nach Meinungsverschiedenheiten im Rat – eine Tafel an den Sandstein angebracht, die sich dort bis heute an prominenter Position findet. Sie klärt kurz über die Geschichte des Denkmals auf und schließt mit dem überaus klaren Statement „NIE WIEDER KRIEG UND FASCHISMUS“. Im gleichen Zuge wird deutlich, dass es sich im eigentlichen Sinne nicht mehr um ein Denkmal handelt.

Die Geschichte des Kriegerdenkmals im Stadtpark wirft so insgesamt ein interessantes Licht nicht nur auf nationalsozialistische Erinnerungspolitik, sondern ebenso auf den konflikthaltigen Umgang mit den Repräsentationen nationalsozialistischer Propaganda, Architektur und Symbolik im öffentlichen Raum, der bis in die Gegenwart besteht. Wer diese Geschichte kennt, wird beim Betreten des Stadtparks den Sandsteinblock sicherlich mit anderen Augen sehen.

Auch interessant: Die Geschichte des kopflosen Kriegerdenkmals in Langendreer.

Zum Weiterlesen und -schauen:

https://www.bochumschau.de/video/kriegerdenkmal-soldaten- stadtpark-bochum-2012.htm.

Nicole Nunkesser: Der Sturz des Denkmals im Bochumer Stadtpark 1983 – Umgang mit Erinnerung, in: Bochumer Zeitpunkte 38 (2017), S. 15-29.

/Jano Meyer

Tafel der Stadt Bochum an der Vorderseite. Foto: Meyer

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