Zeche Marianne (Wattenscheid)

Biegt man von der Schützenstraße in die Husackerstraße ein und folgt ihr immer weiter an den Feldern vorbei bis in den Südpark auf die Talstraße, stößt man zwischen den Bäumen auf eine Gedenktafel, aufgestellt durch den Heimat- und Bürgerverein Wattenscheid e. V., die den folgenden Wortlaut trägt:

„Mahntafel gegen Krieg und Terror – Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden an dieser Stelle Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen aus Osteuropa und deutsche Soldaten unter widerrechtlichen und unwürdigen Umständen erschossen und in einem Bombentrichter verscharrt. Der Tatort liegt in Nachbarschaft zum Arbeitslager, das sich auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Marianne, Schacht IV, befand. Später mussten Höntroper und Eppendorfer Bürger die Toten ausgraben und zu Friedhöfen in Wattenscheid und Bochum transportieren. – Gedenket den Kriegsopfern aller Nationen.“

Mahntafel, Foto: Vanessa Schmolke
Der mutmaßliche Tatort unweit der Tafel, Foto: Schmolke

Diese wurde am 02. Juni 2002 eingeweiht, nachdem ein bis dahin verschwundenes Pappschild von 1989, angebracht durch ein Vorstandsmitglied desselben Vereins, an das Verbrechen erinnert hatte. Da der Großteil der heimischen Arbeiter zu Beginn des Krieges 1939 in die Wehrmacht eingezogen worden war, begann man die fehlenden Arbeitskräfte in der Industrie sowie im Bergbau durch ausländische Zwangsarbeiter:innen aus den eroberten Gebieten zu ersetzen. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 schickte man sowjetische Bürger:innen zur Zwangsarbeit nach Deutschland. Zum Jahreswechsel 1941/1942 kamen die ersten sowjetischen Zwangsarbeiter:innen die sogenannten „Ostarbeiter“, ins Ruhrgebiet. Die nationalsozialistische Ideologie betrachtete Slawen als „Untermenschen“, weswegen insbesondere sie zur harten, unterirdischen Arbeit auf den Zechen gezwungen wurden. Dazu kam eine schlechte Versorgung an Lebensmitteln sowie medizinischer Hilfe. Ihre Unterkunft war mangelhaft und es kam zu Misshandlungen durch deutsche Belegschaftsmitglieder.

Die Zeche Marianne war die erste Zeche, die der Bochumer Verein 1868 erwarb. 1904 wurde sie jedoch stillgelegt, da die Versorgung des Vereins mit Koks und Kohle durch andere Zechen gewährleistet wurde. Ab 1933 produzierte der Bochumer Verein Geschütze und Granaten und stieg unter den Nationalsozialisten zum „Nationalsozialistischen Musterbetrieb“ auf. Während des Krieges profitierte er von tausenden von Zwangsarbeiter:innen. Diese wurden noch bis Anfang 1945 in Lagern untergebracht und auch hier kam es zu Misshandlungen und menschenunwürdigen Bedingungen, weshalb viele von ihnen starben.

Die sowjetischen Zwangsarbeiter:innen, an die die Tafel erinnert, wurden in einem Bombentrichter nahe des Arbeitslagers auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Marianne durch die Nazis erschossen. Bei den deutschen Soldaten handelte es sich um Bewachungssoldaten. Es ist anzunehmen, dass die hier Ermordeten aus diesem Arbeitslager kamen und für den Bochumer Verein arbeiteten. Mit Handkarren wurden ihre Leichen nach dem Krieg von Eppendorfer und Höntroper Bürger:innen auf verschiedene Friedhöfe umgebettet. Auf dem Höntroper Friedhof am Wilkenkamp erinnert ein Gedenkstein an 23 sowjetische Soldat:innen und 80 russische Bürger:innen, die während des Weltkrieges starben und dort ihre letzte Ruhe fanden. Unter ihnen verzeichnet die Belegungsliste des Friedhofs neun männliche und weibliche Namen, deren Todestag auf denselben Tag datiert wird, nämlich auf den 05. April 1945. Da dies die größte Gruppe unter den begrabenen, russischen Bürgern darstellt, die am selben Tag gestorben ist, kann man davon ausgehen, dass es sich hierbei um diejenigen Personen handelt, von denen die Tafel berichtet. Ihre Namen lauten: Anna Bazjewa, Jakob Berechny, Anna Borisowa, Pola Burmestowa, Maria Dranzia, Marie Kozowa, Zecha Greschkowy, Valentin Kurduck und Valentin Nukjanowa. Sie alle waren ungefähr 20 Jahre alt.

Gedenkstein auf dem Höntroper Firiedhof, Foto: Schmolke
Übersetzung des Gedenksteins, Foto: Schmolke

Die genauen Gründe für ihre Ermordung kurz vor Kriegsende lassen sich nicht rekonstruieren. Weiterhin unklar bleibt der Grund, warum die deutschen Soldaten erschossen worden waren und weshalb sie zusammen mit den osteuropäischen Zwangsarbeiter:innen verscharrt worden sind.

/Vanessa Schmolke

Literatur:

Menne, Holger/Farrenkopf, Michael (Bearb.): Zwangsarbeit im Ruhrbergbau während des Zweiten Weltkrieges. Spezialinventar der Quellen in nordrhein-westfälischen Archiven (=Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum/Nr. 123), 1. Auflage, Bochum 2004.

Stadt Bochum: Leidens-Wege in Bochum 1933 bis 1945. Die Stationen. Station 11: Bochumer Verein für Gußstahlfabrikationen AG, unter: https://www.bochum.de/Stadtarchiv/Bochum-in-der-NS-Zeit/Leidens-Wege-in-Bochum-1933-bis-1945/Die-Stationen (Stand: 29.06.2021).

Heimat- und Bürgerverein Wattenscheid e. V. (Hrg.): Gedenktafel gegen das Vergessen, in: Mitteilungsblatt des Heimat- und Bürgerverein Wattenscheid e. V. 27 (2/Juli 2002), S. 13-16.

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